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Eingewöhnungskonzept des
Waldorfkindergartens Welzheim

Inhalt

1. Bindung als Grundlage für eine gute Eingewöhnung

„Auf der Basis sicherer Bindungen erobern sich Kinder die Welt.“

Eltern sind und bleiben für Kinder die wichtigsten Bezugspersonen. Ein bestmöglicher Schutz der kindlichen Kräfte sowie eine individuelle Entwicklungsbegleitung erfordern während der Eingewöhnung eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den pädagogischen Fachkräften und den Eltern. Als verantwortlich Tätige achten wir darauf, dass bereits von Beginn an der Grundstein dafür gelegt wird.

1.1 Entwicklungsaufgaben des Kindes

Durch den Beginn einer außerfamiliären Betreuung ist das Kleinkind mit der anspruchsvollen Entwicklungsaufgabe konfrontiert, sich von seinen bisherigen Hauptbezugspersonen zeitweise zu lösen und eine neue Beziehung zu einer ihm bisher unbekannten Person zuzulassen. Auf diese Anforderung reagieren Kinder bis zum dritten Lebensjahr in der Regel mit Stress und Kummer. Das Kleinkind muss sich von seiner sicheren Basis lösen und verliert durch die Abwesenheit kurzzeitig die bereits erworbene Mitregulation seiner Empfindungen und Emotionen durch Mutter oder Vater. Durch entsprechende Reaktionen wie z.B. Weinen oder das Aufhören zu explorieren drückt es aus, dass es die Trennung zunächst als ängstigenden Verlust erlebt. Während einer Eingewöhnung ergeben sich Anforderungen auf individueller sowie auf interaktionaler Ebene.

Kindliche Anforderungen auf individueller Ebene

  • Aushalten von Trennung und gleichzeitig neues Vertrauen aufbauen

  • sich in der neuen Umgebung orientieren

  • selbständiger werden

  • mit mehr Reizen und Lärm zurechtkommen

  • Tagesablauf kennenlernen

  • neue Regeln kennenlernen

  • sich in fremder Umgebung wickeln lassen bzw. dort auf die Toilette gehen, essen, sich ausruhen oder schlafen


Kindliche Anforderungen auf interaktionaler Ebene

  • erweitert den Kreis seiner Bezugspersonen

  • Erfahrung, nicht immer im Mittelpunkt zu stehen

  • länger warten, bis die Bedürfnisse erfüllt werden

  • Erfahrung machen, dass Spielmaterialien geteilt werden

  • sich in der bestehenden Gruppensituation zurecht finden

  • den eigenen Platz finden

  • Beziehungen zu anderen Kindern aufbauen

  • sich behaupten und Wünsche ausdrücken

1.2 Gemeinsamer Entwicklungsprozess

Mit dem Aufnahmegespräch findet der erste gemeinsame Kontakt von Eltern, Kind und Fachkräften statt, mit dem die Eingewöhnung des Kindes in die bestehende Gemeinschaft beginnt. Da die Aufnahme eines Kindes nie isoliert betrachtet werden kann, ist es selbstverständlich, die Eingewöhnung als einen gemeinsamen Entwicklungsprozess zwischen Kind, Eltern und Fachkräften zu verstehen und diesen dementsprechend zu gestalten.

2 Gestaltung der Eingewöhnung

2.1 Eingewöhnungsmodell

Auch wenn die betreute Spielgruppe keine klassische Kleinkindgruppe wie Krippe oder Wiegestube ist und das Altersspektrum der Kinder lediglich 2-3 Jahre umfasst, orientieren wir uns bei der Eingewöhnung in beiden Gruppen am Berliner Modell. Ausreichend Zeit mit den Eltern ermöglicht dem Kind während der Eingewöhnung eine klare Orientierung bezüglich seiner primären Bindungsperson. Die Einbeziehung der Eltern ermöglichen dem Kind ein langsames Lösen von Mutter oder Vater und geben ihm dadurch Gelegenheit, nach und nach eine Beziehung zur/zum zuständigen Erzieher*in aufzubauen. Für die Eingewöhnung eines Kindes in der betreuten Spielgruppe planen wir etwa 4-6 Wochen ein, bevor ein weiteres neues Kind in die Gruppe aufgenommen werden kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eingewöhnungsphase in diesem Zeitraum bereits abgeschlossen ist.

2.2 Qualitative Merkmale der Eingewöhnungsgestaltung

Aufgrund unseres Konzeptes ist bereits gewährleistet, dass jedes Kind einer festen Gruppe zugehörig ist und ihm dadurch vertraute Bezugspersonen zur Verfügung stehen. Durch die Pflege von Gewohnheiten und Regelmäßigkeiten im Tages- und Wochenablauf sowie in der Raumgestaltung unterstützen wir das Urvertrauen des Kindes. In der Regel begleiten die jeweilige Gruppenleitung und die zweite pädagogische Kraft die Eingewöhnungszeit. Somit ist auch in einem möglichen Vertretungsfall die Anwesenheit einer vertrauten Person gewährleistet. Vorab werden die Details mit den Familien besprochen und während dem Eingewöhnungsprozess bei Bedarf angepasst. Im Rahmen des kollegialen Austausches wird der Verlauf der Eingewöhnung reflektiert und von der verantwortlichen Fachkraft dokumentiert.

Wir achten darauf, ausreichend Zeit für die Eingewöhnung eines Kindes einzuplanen, um jedem Kind (ob Kindergarten oder Spielgruppe) die Zeit zuzugestehen, die es entsprechend seiner Entwicklung benötigt. Dazu gehört, auf die individuellen Bedürfnisse wie Essen, Ausruhen und bei den Kleinkindern auch das Schlafen Rücksicht zu nehmen. Aufgrund der derzeit angebotenen Betreuungszeiten kann gewährleistet werden, dass es innerhalb des Tagesablaufes keinen personellen Wechsel in den Gruppen gibt. Nach Abschluss der Eingewöhnungsphase nutzen wir gerne die Möglichkeit von gemeinsamen Gartenzeiten beider Gruppen, um die Spielgruppenkinder mit den Erzieher*innen der Kindergartengruppe vertraut zu machen.

2.3 Das Aufnahmegespräch
Neben den formalen Anmeldeformalitäten legen wir Wert darauf, mit den Eltern ein Aufnahmegespräch in angenehmer Atmosphäre zu führen. Dafür plant sich die jeweilige Gruppenleitung ausreichend Zeit ein und führt dies außerhalb der Betreuungszeiten in Anwesenheit des neu aufzunehmenden Kindes in dessen zukünftigem Gruppenraum durch. Somit bekommt das Kind bereits Gelegenheit, den Raum, die neue Bezugsperson und verfügbares Material in Anwesenheit der Eltern kennenzulernen. Uns ist es ein Anliegen, uns mit den Eltern über die anstehende Entwicklungsaufgabe ihres Kindes auszutauschen und sie dafür zu sensibilisieren, dass eine gelingende Eingewöhnung Verlässlichkeit, Ruhe und Zeit erfordert. Folglich sollte der Zeitpunkt der Aufnahme unter Berücksichtigung familiärer Situationen wie die Aufnahme der Berufstätigkeit oder anderen zeitlich einbindenden Verpflichtungen der Begleitperson thematisiert werden.

Verbindliche Inhalte des Aufnahmegesprächs

  • Vereinbarung über individuelle Eingewöhnungsmodalitäten

  • Das Aushändigen des Leitfadens über die Eingewöhnungszeit

  • Übersicht über den Tages- und Wochenablauf der jeweiligen Gruppe

  • Raum für Fragen und Mitteilungen von Eltern

  • Aushändigen und Besprechen der nötigen Formulare und Terminierung einer verbindliche Abgabe

  • Verweise auf nächste Elternveranstaltungen sowie Formen, um mit anderen Eltern in Kontakt zu treten

Fragen, die nach dem Gespräch beantwortet bzw. entsprechend dokumentiert werden

  • Welche Person begleitet das Kind während der Eingewöhnung?

  • Zu welchen Zeiten kommen Eltern und Kind in die Einrichtung?

  • Wie lange verweilen Sie am ersten Tag/in der ersten Woche?

  • Was wird evtl. an materiellen Dingen benötigt?

  • Ist ein Übergangsobjekt von Bedeutung?

  • Welche Vorlieben hat das Kind?

  • Was ist unbedingt zu berücksichtigen?

  • Welche Gedanken und Sorgen bewegen die Eltern?

  • Wie schätzen Eltern den Verlauf der Eingewöhnung ein?

  • Wer wird das Kind zukünftig bringen bzw. abholen?

  • War das Kind zuvor bereits über mehrere Stunden bei Großeltern / Tageseltern?

  • Inwieweit spielt die Sauberkeitserziehung aktuell eine Rolle?

2.4 Absprachen und Informationsaustausch
Während der Eingewöhnung und des Übergangs ist es besonders wichtig, sich am Ende des Tages und der Woche mit den Eltern abzustimmen, ob getroffene Vereinbarungen so weitergeführt werden können oder ob mit Blick auf das Kind möglicherweise neue Absprachen getroffen werden müssen. Diese können persönlich in Form von Tür- und Angelgesprächen, im Rahmen eines terminierten Elterngespräches oder, wenn nötig, auch per Telefon besprochen werden.

2.5 Eingewöhnung in die betreute Spielgruppe
Anders als das Kindergartenkind ist das Kleinkind elementarer darauf angewiesen, sich einer festen Bezugsperson zuwenden zu können. Es lebt ganz im Hier und Jetzt und braucht diese Möglichkeit der Rückversicherung. Eine Eingewöhnung ist von großer Bedeutung und kann nur gut gelingen, wenn sie individuell mit den Eltern abgesprochen wird und sich an den Bedürfnissen des Kindes orientiert. Die erste Woche erfolgt im Beisein eines Elternteils zu immer bestimmten Uhrzeiten bis zu einem Zeitraum von ca. 1,5 Stunden. In der zweiten Woche kann der Umfang dann ausgeweitet werden, um neue Sequenzen des Tagesablaufes kennenzulernen. In Absprache mit den Eltern wird erneut ein Blick auf die danach kommende Woche vorgenommen und ob bereits ein möglicher Zeitpunkt für eine erste Trennung ins Auge gefasst werden kann. Die Trennungsphasen steigern sich ebenfalls langsam und den Tagessequenzen angepasst, um dem Kind die Verlässlichkeit des Wiederkommens zu verdeutlichen. Die Erzieher*innen stimmen mit den Eltern ab, wann nach ihrer Einschätzung dem Kind der Stundenumfang von 3,75 Std. zugemutet werden kann. Wir achten darauf, dass Pflegesituationen wie Wickeln nach Möglichkeit in der ersten Zeit von Mutter oder Vater übernommen werden. Eltern sind eingeladen, sich während der ersten Trennungsphasen in unserem Nebenraum oder auch im Garten aufzuhalten, um bei Bedarf verfügbar zu sein.

2.6 Eingewöhnung in die Kindergartengruppe
Die Eingewöhnung ohne vorherigen Besuch der Spielgruppe findet in unserer Kindergartengruppe nur selten statt. Meist sind die verfügbaren Plätze ohnehin bereits für die Spielgruppenkinder vorgemerkt. Für die Aufnahme von bisher einrichtungsfremden Kinder gelten, wenn auch verkürzt, die bereits für die Spielgruppe genannten Kriterien. Vorerfahrungen, Alter und Entwicklungsstand des Kindes nehmen wir als Anhaltspunkte, die Eingewöhnungszeit individuell zu verändern.


2.7 Gestaltung der Umgewöhnung
Während beim Kleinkind die eigene Tätigkeit und Wahrnehmung im Vordergrund steht, rückt mit zunehmendem Alter das Interesse des Kindes am sozialen Miteinander immer mehr ins Zentrum. Doch auch beim Übergang des drei-/vierjährigen Kindes in die Kindergartengruppe wird die Präsenz in Form von Zeit und Fürsorge der Erzieher*innen benötigt, dass sich das Kind gut eingewöhnen kann, um in der Kindergartengruppe seinen Platz zu finden und sich wohlzufühlen. Auch wenn die Tagesstruktur ähnlich ist, darf nicht unterschätzt werden, dass die deutlich höhere Anzahl der Kinder für das Kind zunächst ungewohnt ist. Ebenso ist die Verweildauer aufgrund der verlängerten Öffnungszeit deutlich länger als in der Spielgruppe. Somit ist das bisher entwickelte Empfinden von Zeitphasen für das Kind nicht mehr verlässlich. Dies erfordert eine zeitliche Steigerung in den ersten beiden Wochen, die mit Blick auf das Kind und in enger Absprache mit den Eltern nach und nach erweitert werden sollte. Wir empfehlen das Kind zu bringen, solange morgens die Anzahl der Kinder für das Kind noch überschaubar ist. Somit kann sich die Erzieher*in dem Kind in aller Ruhe widmen und es an die Gemeinschaft der Gruppe heranführen.

Als möglichen Übergangszeitraum fassen wir als Anhaltspunkt den dritten Geburtstag ins Auge. An erster Stelle steht jedoch der individuelle Entwicklungsstand, die bestehende Sicherheit, das Bindungsverhalten und mögliche Anzeichen von Exploration über die vertraute Spielgruppe hinaus. 
Um diesen Zeitpunkt zu erkennen und den Übergang möglichst fließend gestalten zu können, arbeiten beide Gruppenleitungen eng zusammen. Zum gegenseitigen Kennenlernen nützen wir Spielzeiten im Garten sowie Besuche in der Kindergartengruppe an der Seite der vertrauten Erzieher*innen. Je nach Bereitschaft des Kindes können auch kurze Besuche z.B. während der Spielzeit ohne die bisher vertraute Bezugsperson stattfinden. Dafür wird das Kind von der Gruppenleitung der Kindergartengruppe evtl. auch im Beisein von 1-2 Kindern im Spielgruppenraum abgeholt und nach einiger Zeit wieder gebracht. Auf diese Weise lernt das Kind die neuen Bezugspersonen sowie einzelne Kinder und die Gruppenatmosphäre bereits kennen, kann sich aber immer wieder in den sicheren Hafen der Spielgruppe einfinden. Je nach Altersstruktur der Gruppe sind auch gemeinsame Übergänge von zwei Kindern möglich, sofern die Gruppensituation dies zulässt. Der Zeitpunkt des Wechsels wird mit Eltern und beiden Fachkräften abgestimmt und in Form eines kleinen Abschieds in der kleinen Gruppe zelebriert.

3 Merkmale einer gelungenen Eingewöhnung
Folgende Anhaltspunkte dienen als Orientierungshilfe für Beobachtungen während des Eingewöhnungsverlaufes in den Gruppen

  • löst sich von den Eltern

  • nimmt Kontakt zu Erzieher*innen auf

  • bleibt über die vereinbarte Zeit

  • äußert Trennungsschmerz

  • zeigt Gefühle

  • fragt nach Mutter oder Vater

  • blickt häufig zur Tür

  • lässt sich trösten

  • äußert Wünsche, fragt

  • bittet um Hilfe

  • kommt gerne

  • beobachtet andere Kinder

  • imitiert andere Kinder

  • sucht Kontakt zu anderen Kindern

  • zeigt Interesse an Tätigkeiten und Spielmaterial

  • spielt neben der neuen Bezugsperson

  • findet sich im Gebäude zurecht

  • weiß, wo etwas im Raum zu finden ist

  • erkennt Rituale wieder

4 Rückblick
Nach etwa einem Zeitraum von acht Wochen kann zusätzlich zum regelmäßigen Informationsaustausch ein Elterngespräch vereinbart werden, in dem Eltern und Fachkräfte die Eingewöhnungszeit gemeinsam betrachten und im Sinne der Erziehungspartnerschaft den Fokus auf die bestmögliche Entwicklungsbegleitung des Kindes richten.


 

Literatur

Bensel, Joachim/Haug-Schnabel, Gabriele (2006): Die Eingewöhnung. Ein Qualitätsstandard. In: Kindergarten heute spezial. Kinder unter 3. Bildung, Erziehung und Betreuung von Kleinstkindern. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau, S. 30-40

Compani, Marie-Luise (2015): Aus dem Alltag des Waldorfkindergartens. Pädagogische Aspekte und Grundlagen. In: Compani, Marie-Luise/Lang, Peter (Hrsg.): Waldorfkindergarten heute. Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH, Stuttgart, S.126-140

Patzlaff, Rainer (2016): Leitlinien der Waldorfpädagogik für Kindheit von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr. Kindheit-Bildung-Gesundheit. Band 1. Pädagogische Forschungsstelle Stuttgart, 2. Auflage

Vereinigung der Waldorfkindergärten (Hrsg.) (2018): Eine gute Eingewöhnung als Voraussetzung für gesunde Kinder in der Krippe. Dokumentation des Fachtags im April in der Einrichtung „der Hof“ in Niederursel. Vereinigung der Waldorfkindergärten. Neustadt an der Weinstraße, 1.Auflage

1 Bindung als Grundlage für eine gute Eingewöhnung
1.1 Entwicklungsaufgaben des Kindes
1.2 Gemeinsamer Entwicklungsprozess
2 Gestaltung der Eingewöhnung
2.1 Eingewöhnungsmodell
2.7 Gestaltung der Umgewöhnung
2.6 Eingewöhnung in die Kindergartengruppe
2.2 Qualitative Merkmale der Eingewöhnungsgestaltung
3 Merkmale einer gelungenen Eingewöhnung
4 Rückblick
Literatur
2.3 Das Aufnahmegespräch
2.4 Absprachen und Informationsaustausch
2.5 Eingewöhnung in die betreute Spielgruppe
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